4. Projekttreffen in Pointe-à-Pitre vom 26. Januar bis zum 2. Februar 2008

      Europa unter karibischen Palmen:       

                         Guadeloupe                          




Er ist eher klein, der „Schmetterling der Karibik“, wie die Insel Guadeloupe wegen ihres Umrisses manchmal genannt wird, die vor der Küste Südamerikas liegt. Zwischen zwei Küsten liegen nie mehr als etwa sechzig Kilometer. Flächenmäßig ist der Archipel nur gut eineinhalbmal so groß wie unser Landkreis. Rund 450000 Einwohner gibt es, etwa so viele wie in Nürnberg. Zwar wäre New York von hier aus viel näher wäre als Paris. Dennoch gehört Guadeloupe als „überseeisches Département“ zu Frankreich und damit auch zur Europäischen Union. In Frankreich werden auch die Gesetze gemacht und die Schulpolitik festgelegt.

Die größte Stadt heißt Pointe-à-Pitre: Dort liegt auch unsere Partnerschule, die „École Primaire Raphaël Jolivière“, wo das COMENIUS-Projekttreffen stattfand. Gemeinsam mit Frau Birgit Oberschmid, der Klassenlehrerin der Klasse Plejaden, erhielt ich die Gelegenheit, dorthin zu reisen und schon im Januar eine Woche bei sommerlichen Temperaturen (bis zu 30°C) zu verbringen.

Ganz im Sinne der Überschrift unseres Projektes „Vereint in der Verschiedenheit. Eine interkulturelle Entdeckungsreise“ staunten wir in der knappen Woche immer wieder über Dinge, die so ganz anders sind als bei uns...

Das beginnt schon damit, dass wir „Bleichgesichter“ in diesen Tagen oftmals in der Minderheit unter dunkelhäutigen Menschen waren. Einige Guadelouper mögen Vorfahren unter den indianischen Ureinwohnern des Archipels haben. Sehr viele sind aber wohl entweder Nachfahren der afrikanischen Sklaven, die zur Arbeit auf den Plantagen hierher verschleppt wurden, oder Abkömmlinge der indischen Einwanderer, die Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Inseln landeten. Natürlich haben auch die französischen Kolonialherren ihre Spuren hinterlassen: Hauptsprache ist Französisch, außerdem sind die meisten Guadelouper katholisch. Aus dem Französischen entstand allerdings unter den vielfältigen Einflüssen eine eigene Sprache, das „Créole“, das von den Guadeloupern gesprochen, aber so gut wie nicht geschrieben wird.

Das Leben spielt sich weitgehend draußen ab: Man braucht nur einen Schutz gegen die mitunter ergiebigen tropischen Regenfälle. Daher besaßen früher viele Leute nur ein kleines Holzhaus mit zwei Räumen, einem Schlaf- und einem Küchen- und Wohnraum. Die Fenster reichten bis zum Boden und dienten gleichzeitig als Zugang zu den Räumen. Manchmal gab es noch eine kleine Veranda unter dem typischen Wellblechdach – fertig! Weniger angenehm ist es wohl, in einem solchen Häuschen einen tropischen Hurrikan zu erleben.

So leisteten sich die reicheren Leute auch größere und repräsentativere Häuser. Aber auch sie mussten darauf achten, dass ihre Behausungen Erdbeben und Feuersbrünsten widerstehen konnten. Eine Stadtführung durch Pointe-à-Pitre machte unserer Gruppe aus rumänischen, luxemburgischen, italienischen und deutschen Lehrern die Besonderheiten deutlich.

Unsere Partnerschule liegt in einem Neubaugebiet. Dorthin wurden um das Jahr 1960 die Menschen aus Bretterbuden-Quartieren mit katastrophalen sanitären Verhältnissen umgesiedelt. Obwohl zur Erbauungszeit namhafte Architekten die Betonblocks entwarfen, erinnert die ganze Siedlung „Cité Bergevin“ stark an sozialistischen Wohnungsbau und die aus DDR-Zeiten bekannten Plattensiedlungen (Auch eine Juri-Gagarin-Straße gibt es hier!). Zur Entstehungszeit waren die Betonblocks eine Errungenschaft, heute sind sie baufällig und für den Abriss vorgesehen. Auch die Schule soll ein neues Gebäude bekommen. Die Baugrube ist schon ausgehoben.

Klassenzimmer ohne Fensterscheiben? Hier braucht man keine Fenster, denn man muss sich eher gegen Hitze als gegen Kälte schützen! Die Fensteröffnungen werden durch Blechlamellen beschattet, und der Wind, der durch den Raum streicht, sorgt für angenehme Kühle. Flure gibt es nicht – die Räume werden von den außen liegenden Balkons betreten, die man mit Außentreppen erreicht.

Unsere Partnerschule ist eine „Grundschule“, das heißt, sie hat Klassen der Jahrgänge eins bis sechs. Der Kindergarten ist direkt nebenan. Die Lehrerkollegen empfingen uns ausgesprochen freundlich. Auch den „inspecteur“, den Herrn Schulrat, lernten wir kennen. Wir erlebten während unserer Unterrichtsbesuche viele fröhliche, sehr disziplinierte Schüler, mal mehr, mal weniger konzentriert. Die Jüngsten präsentierten uns die vielfältigen Arten von Früchten auf Guadeloupe, während die Älteren kleine Referate über die Gebäude ihres Stadtviertels hielten. Wie in Wales und in Rumänien gibt es an der „École Primaire Raphaël Jolivière“ eine Art Schuluniform: Zur Jeans trägt man ein weißes oder oranges T-Shirt mit Schul-Logo. Bei Vorführungen auf dem Schulhof wurde leidenschaftlich vorgesungen und –getanzt. Schnell erlebten wir, dass die Uhren hier ein wenig anders ticken: Alles läuft mit einer bewundernswerten Gelassenheit ab. Es ist nicht weiter schlimm, wenn man mal eine Weile warten muss.

Das Leben verläuft in einem anderen Rhythmus – das bekamen wir besonders eindrucksvoll bei unseren Berührungen mit dem Karneval demonstriert. Einen ganzen Sonntag-Nachmittag durften wir beim „Karnevalsverein“ V.I.M. zu Gast sein und die Vorbereitungen für den Umzug am Abend beobachten. Lokale Spezialitäten wie die würzige Blutwurst oder „Colombo“ wurden angeboten (eine Art Hühner-Curry), dabei durften auch die mit einem guten Quantum Rum gemischten Getränke (z.B. „Planteur“) nicht fehlen. Mit einem unglaublichen Aufwand wurden speziell für diesen Abend Kostüme angefertigt. Nebenbei wurde gegessen, geredet, gelacht und schon ein bisschen getrommelt. In einem Rauchgefäß aus einer Konservenbüchse wurde aromatisches Baumharz verbrannt, „um die Geister zu rufen“. Als Anregung für die Masken und für die Körperbemalungen dienten z.B. Bücher über die traditionellen Kostüme von Naturvölkern. Es scheint so, als biete der Karneval den Menschen eine Möglichkeit, ihre verloren gegangenen afrikanischen Wurzeln zu erforschen und sich dadurch neu zu erfinden. Am Abend durften wir erleben, wie eine Karnevalsgruppe nach der anderen zu Trommel und Rasselklang durch die Straßen zog: Unmöglich, dabei still zu stehen – jeder wippt, tanzt und freut sich an dem farbenfrohen Bild. Das lokale Fernsehen überträgt die Festivitäten. Die Internetseite von V.I.M. vermittelt einen guten Eindruck (Link siehe unten!).

Wie bei den anderen Projekttreffen ging es bei unseren Besprechungen auch um die Planungen für die kommenden Monate. Wir haben abgestimmt, was es in den nächsten Monaten in unseren Klassen zu bearbeiten gibt und welche Dinge wir unter den Schülern austauschen wollen. Kaum zu glauben, aber wahr: Wir sind nun schon bei der „Halbzeit“ unseres dreijährigen Projektes angelangt! Im Herbst werden wir voraussichtlich noch einmal unsere COMENIUS-Kollegen in Peißenberg willkommen heißen dürfen.

Weitere Einblicke in das Leben auf Guadeloupe konnten wir bei unseren Ausflugstouren gewinnen (Grande-Terre, Basse-Terre, Marie-Galante). Hier erfuhren wir viel über Geschichte und Kultur. Obwohl Kolumbus schon 1493 auf Guadeloupe landete, wurde der Archipel erst Mitte des 17. Jahrhundert wirklich von den Franzosen in Besitz genommen. So alt sind dann auch die ältesten Gebäude. Die Engländer versuchten mehrmals, die Inseln einzunehmen, konnten sich aber nie längerfristig festsetzen. So gut wie von Anfang an spielte der Anbau von Zuckerrohr eine ausgesprochen wichtige Rolle auf dem Archipel. Es wurde Rohrzucker und Rum daraus hergestellt und nach Europa exportiert. Damit verbunden ist die leidvolle Geschichte der Sklaverei, die zwar in der Folge der französischen Revolution 1794 abgeschafft wurde, von Napoleon aber unter blutigen Kämpfen wieder eingerichtet wurde und dann bis Mitte des 19. Jahrhunderts fortbestand. Die steinernen Reste der Windmühlen, mit denen die Zuckerrohrpressen angetrieben wurden, sind noch an vielen Stellen zu sehen.

Heute ist der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle: Viele Kreuzfahrtschiffe legen in Guadeloupe an. Naturparks, Traumstrände und exzellente Möglichkeiten zum Tauchen und Surfen locken Urlauber aus der ganzen Welt an. Man darf ja einmal träumen: Vielleicht ist der Tag gar nicht so fern, an dem unsere Schüler Französisch lernen und bei einem Schüleraustausch mit Guadeloupe diese ganz andere Seite Europas kennen lernen?

 

   Bernhard Apel

 

vim-lauricisque.com


Europe under Caribbean palms:

A report about the COMENIUS project meeting in Pointe-à-Pitre
from
January 26th until February 2nd, 2008, by Bernhard Apel

It is rather small, the "butterfly the caribbean", as the island of Guadeloupe sometimes is called because of her outline. It lies off the coast of South America. Between two coasts there are never more than about sixty kilometres. Referring to size the archipel is not larger than one and a half time our county. There are about 450000 inhabitants, as many as in Nuremberg. New York would be much closer than Paris. Guadeloupe, nevertheless, belongs as an " overseas Département" to France and with it also to the European Union. in far away Paris laws are made and decisions about education are taken .

The biggest city is scalled Pointe-à-Pitre: There our partner school is to be found, the " École primaire Raphaël Jolivière" where the COMENIUS project meetings took place. Together with Mrs. Birgit Oberschmid, the teacher of class Plejaden, I got the opportunity to travel there and to spend one week with summery temperatures (up to 30°C) already in January.

Just in the sense of the headline of our project " united in the difference. An intercultural exploratory expedition" we marvelled in the brief week again and again at things which are completely different than at home.

This already begins with the fact that we as "pale faces" during these days wereoften in the minority among dark-skinned people. Some Guadeloupeans may have ancestors among the Indian natives of the archipelago. However, many are either descendants of the African slaves which were abducted to work on the plantations here or descendants of the Indian immigrants who landed at the middle of 19th century on the islands. Self understood that the French colonial masters have also left their traces: main language is a French; besides, most Guadeloupeans are Roman Catholic. However, from French developped under the various influences anown language, the "Créole" which is spoken by the Guadeloupeans, but is rarely written.

The life happens largely outside: One needs only a protection against the rich tropical fall of rain now and then. Therefore, many people possessed earlier only a small wooden house with two rooms, a bedroom and a kitchen/living-room. The windows reached down to the ground and served at the same moment as an access to the rooms. Sometimes there was still a small veranda under the typical corrugated sheet roof - this was all! Less pleasant must be to experience a tropical hurricane in such a hut.

So the richer people could also afford bigger and more representative houses. But they, too, had to pay attention to the fact that their dwellings could resist earthquakes and conflagrations. A city guide made the peculiarities of Pointe-à-Pitre houses clear to our group of Romanian, Luxembourgian, Italian and German teachers.

Our partner school lies in a development area. To there, people from wooden huts accommodations with disastrous sanitary conditions were resettled in about 1960. Although at construction time celebrated architects sketched the concrete blocks, the whole settlement "Cité Bergevin" reminds" strongly of socialist house building and the flat settlements known from GDR times (Also a Juri-Gagarin-Street can be found here!). At the time of origin the concrete blocks were an achievement, today they are crumbling and are intended for the demolition. Also the school will receive a new building. The basement is already dug out.

Classrooms without window panes? Here no windows are needed, because one must protect rather against heat than against cold! The apertures are shaded by tin lamellas, and the wind which vents the room causes some pleasant coolness. There are no hallways - the rooms can be entered from the outside balcony which are to be reached by stairs outside.

Our partner school is an "elementary school", that means it has classes from grade one to six. The kindergarden is directly next door. The teacher colleagues received us very friendly. We alsogot to know Mr. "Inspecteur", the school inspector. We experienced many cheerful, very disciplined students during our teaching visits, more or less concentrated. The youngest ones presented the various kinds of fruit on Guadeloupe, while the older held small lectures about the buildings of their district.

As in Wales and in Romania there is a kind of school uniformin the "École premiere Raphaël Jolivière ": With jeans one wears a white or orange T-shirt with school logo. At little shows in the schoolyard students sung fervently and danced. Quickly we experienced that the clocks tick here a little in a different way: everything runs with an admirable calmness. It is not a reason to be upset if one must wait for a while.

The life runs in another rhythm - an impressive demonstration aof this was given to us in connection with the carnival manifestations. A whole Sunday afternoon we were allowed to spend with the "carnival association" V.I.M. as guests and we could watch the preparations for the parade in the evening. Local specialities like the spicy black pudding or "Colombo" were offered (a kind of chicken curry), besides, mixed beverages with a good quota of rum could not be lacking), for example the "planteur". With an incredible expenditure costumes were made specially for this evening. Besides this, people ate, talked, joked and was already drummed a little bit. In a smoke vessel made from a can aromatic tree resin was burned, "to call the spirits". As a mopdel for the masks and for the body paintings, e.g. books about traditional costumes of indigenous peoples were used. It seems as if the carnival offers to the people a possibility to find out about their lost African roots and thereby to invent themselves a new. In the evening we could experience how one carnival group after the other marched through the streets with the sound of drums and rattles: To stand still at the side is almost impossible, - everyone rocks, dances and is happy about the colourful picture. The local television transfers the festivities. The Internet page of V.I.M. provides a good impression (www.vim-lauricisque.com).

As with the other project meetings we also had conferences about the layout of the project in the next months. We decides on what to teach during the next months in our classes and which things we want to exchange among the pupils.Hard to believe, but true: Now we have already arrived at "half time" of our three-year-old project! In autumn we will be honored to have our COMENIUS colleagues in Peissenberg for another time.

We could win other perspectives on the life on Guadeloupe with our leisure trips (Grande Terre, Basse Terre, Marie Galante). Here we got to know a lot about history and culture. Although Columbus already landed on Guadeloupe in 1493, the archipelago was taken possession of only at the middle of the 17th century by the Frenh. That's how old are  the oldest buildings. The Englishmen tried  to take the islands several times but however, could never settle for a longer period of time. Virtually from the beginning the cultivation of sugar cane played an  important role on the archipelago. Cane-sugar and rum was produced from it and was exported to Europe. This is connected to the atrocious history slavery which was abolished subsequently after the French revolution in 1794 but was reestablished by Napoleon, however, under bloody battles and survived then till the middle of the 19th century. The ruins of the windmills with which the sugar cane presses were driven are to be seen still at a lot of places.

Today tourism is an important source of income: many cruise ships attach in Guadeloupe. Nature reserves, dream beaches and excellent possibilities to dive and surf attract holiday-makers from all over the world. It must be allowed to dream: Perhaps the day is not so far on  which our students learn French and within a school exchange get to know Guadeloupe as a completely different side of Europe.


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